MENSCH!Berlin – Eine Nacht unterwegs mit dem Kältebusfahrer
Oliver Stemmann ist 61 Jahre alt. Seit über 10 Jahren ist er ehrenamtlich jede Freitagnacht als Kältebusfahrer der Berliner Stadtmission auf den Straßen der Hauptstadt unterwegs. In einer dieser Nächte durften wir Oliver für unser Projekt MENSCH!Berlin begleiten.
Es ist dunkel geworden und in der Stadtmission in der Lehrter Straße bereiten sich die Ehrenamtlichen auf die bevorstehende Schicht vor. Wie jede Nacht fahren sie mit den Kältebussen durch die Stadt, um wohnungslosen Menschen zu helfen und versorgen sie mit Tee, Essen, Kleidung oder auch einfach nur einem offenen Ohr. Wenn nötig, fahren sie „ihre Gäste“ – wie sie die Wohnungslosen liebevoll nennen – auch in eine Notunterkunft. Die Schicht beginnt um 21 Uhr und geht bis in die frühen Morgenstunden.
„Hallo, ich bin Oliver oder auch Olli“, ganz coronakonform stellt sich Oliver Stemmann mit einen Faustgruß vor. Bevor seine Schicht losgehen kann, checkt er noch einmal den Bus, ob auch alles Nötige mit dabei ist. „Grade heute erst hat mein Nachbar Pullover gespendet. So richtig gute Kaschmir Pullover. Sehr fein.“ erzählt er während er noch Lebensmittel, Schlafsäcke und neue Kleidung im Bus verstaut.
Oliver hat keine vorgefertigte Route. Er fährt die Orte an, die im sogenannten „Callcenter“ zugeteilt werden – einem Verbund von Tablets, die in allen Bussen mit an Board sind. Seine Beifahrerin Sophia nimmt die Anrufe entgegen und koordiniert die Route entsprechend des Weges und der Dringlichkeit.
Wenn es keine Notrufe gibt, fährt Oliver zu bekannten Plätzen und schaut bei den Menschen, die er schon hin und wieder besucht hat, nach dem Rechten. In dieser Nacht ist es recht ruhig. Die Temperaturen bewegen sich zwischen -1 und +1 Grad. Die meisten Wohnungslosen bleiben bei diesen Temperaturen lieber in ihrem „Outdoor-Schlafzimmer“. Nur Lutz lässt sich heute gegen 2 Uhr in ein Hostel fahren, das in Corona-Zeiten zur Notunterkunft umfunktioniert wurde, und darf die Nacht ganz in Ruhe in einem warmen Einzelzimmer verbringen.